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Frauenquote weckt Hoffnung auf mehr weibliche Perspektiven

Katrin Williams (l.) und Klara Geywitz.

Katrin Williams (l.) und Klara Geywitz.

Quellen: Williams: Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V., Urhbeber: Studioline Leipzig; Geywitz: Bundesregierung, Urheber: Jesco Denzel

Karriere 18.08.2022
Entscheidungen in der Bau- und Immobilienwirtschaft betreffen Männer und Frauen gleichermaßen. Bundesministerin Klara Geywitz wünscht sich deshalb mehr weibliche Perspektiven in der ... 

Entscheidungen in der Bau- und Immobilienwirtschaft betreffen Männer und Frauen gleichermaßen. Bundesministerin Klara Geywitz wünscht sich deshalb mehr weibliche Perspektiven in der Branche. Katrin Williams, Vorstandsvorsitzende des Vereins Frauen in der Immobilienwirtschaft, befürwortet im Expertengespräch mit der Immobilien Zeitung eine Geschlechterquote als politische Vorgabe für eine stärkere Durchmischung in den Entscheiderpositionen.

Seit Klara Geywitz im Dezember 2021 ihr Amt als Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen angetreten ist, stehen bei der SPD-Politikerin regelmäßig Treffen mit Vertretern der Bau- und Immobilienwirtschaft an. "Ich habe viel mit Branchenvertretern und Verbandspräsidenten zu tun", fasst sie ihr Netzwerk zusammen und beschreibt das Geschlechterverhältnis innerhalb der Branche als eindeutig: "Da gibt es ganz klar eine deutliche Mehrheit von Männern." Doch gerade als Frau könne sie in Gesprächen immer wieder wahrnehmen, dass eine Sensibilität für das Thema entstanden ist. "Ich habe festgestellt, dass Verbände sich auf den Weg machen, und an ihrer eigenen Aufstellung arbeiten. Sie selbst sagen, dass die männliche Dominanz mit der jetzigen Generation zwar noch stark verbunden ist, dass das aber schon in der nächsten ganz anders aussehen könnte."

Dass im Moment in den Unternehmen – und vor allem in ihren Führungsetagen – Männer das Bild noch dominieren, bestätigt Katrin Williams. Sie führt als Vorstandsvorsitzende den Verein Frauen in der Immobilienwirtschaft, der vor wenigen Wochen eine Studie zur Geschlechterverteilung in der Branche veröffentlicht hat. Die Zahlen zeigen, dass an den Hochschulen das Verhältnis zwischen jungen Männern und Frauen, die einen Studiengang mit immobilienwirtschaftlichem Bezug abschließen, noch fast ausgeglichen ist. "Ganz deutlich wird das im Bereich Architektur", nennt Williams ein konkretes Beispiel. "Da liegt der Frauenanteil unter den Absolventen bei 58%. Aber nur 3% der Vorstandsmitglieder in Architekturbüros sind weiblich."

Dass gerade in kleineren Büros nur selten Frauen auf den Chefsesseln sitzen, hat auch Geywitz schon beobachtet. Sie ist sich sicher: "Frauen entscheiden sich nicht gegen diese Positionen", stattdessen sieht die Ministerin zwei Kernprobleme als Ursprung für das Geschlechterungleichgewicht. "Zum einen zeigen Studien das Problem der Elitenrekrutierung, also dass Männer nun mal oft Männer einstellen. Das zweite Problem ist immer noch die ungleiche Verteilung der Care-Arbeit. Sie führt dazu, dass Frauen an ihre Grenzen und darüber hinaus gehen müssen, um ungleich verteilte Care-Arbeit und eine Führungsposition unter einen Hut zu bekommen." Dabei denkt Geywitz, dass die Branche von mehr weiblichen Perspektiven profitieren könnte; das merke sie in ihrem eigenen Alltag und in ihrer Position als Ministerin. "Es gibt quasi keinen Aspekt in meinem Haus, der nicht auch irgendwie etwas mit Frauen zu tun hat", setzt sie an und erklärt: "Sie stellen ja überraschenderweise auch die Hälfte der Menschheit dar."

Laut Williams liefern nicht nur die Studie, sondern auch die Einreichungen für den Ingeborg-Warschke-Nachwuchsförderpreis, mit dem der Verein besonders gelungene Abschlussarbeiten auszeichnet, für sie einen Beweis dafür, dass gerade junge Frauen viele Ideen für die Branche haben. Als Beispiele nennt sie Beiträge aus diesem Jahr, in denen sich Absolventinnen mit mehrgeschossigem Wohnungsbau, Parkplatzüberdachungen, Büros der Zukunft und ESG- Kriterien am Bau beschäftigen.

Branchenthemen betreffen Frauen im Alltag

Geywitz kann nachvollziehen, dass das breite Feld der ESG-Themen für Frauen interessant ist. Sie ordnet vor allem dem Feld "Social" viele Problemstellungen zu, die Frauen im Alltag betreffen und erkennt auch politische Themen in dem Komplex. "Es fängt mit der Frage an, wer eine Wohnung in angespannten Wohnlagen bekommt. In der Regel ist das derjenige, der den besseren Arbeitsvertrag hat, und das ist oft der Mann", sagt sie. "Deshalb ist die Förderung des sozialen Wohnungsbaus enorm wichtig – und auch eine Frauenfrage." Gleiches gelte für die Wohneigentumsförderung. "Gerade viele Frauen haben bei der Eigentumsbildung das Problem, dass sie nur wenig Eigenkapital haben. Das findet sich dann auch im Alter wieder, wenn es als Zusatzversorgung zur Rente fehlt. Wenn wir jetzt Eigentumsförderung konzipieren, die eigenkapitalersetzend ist, kommt das in besonderem Maße Frauen zugute."

Beim Thema Stadtentwicklung nimmt sie die Planer in die Pflicht – auch wenn Städte und Quartiere auf den ersten Blick nicht nach Geschlechtern geplant werden. "Doch wenn wir das Beispiel einer autofreundlichen Stadt nehmen, sehen wir, dass Frauen andere Bewegungsprofile haben als Männer. Sie fahren nicht nur zur Arbeit und zum Sport, sondern bewegen sich aufgrund ihres höheren Anteils an Care-Arbeit oft zickzackartig durch die Innenstadt. Etwa auf dem Weg zur Kita, für Besuche und für Besorgungen." Mehr Frauen in Entscheiderpositionen könnten dafür sorgen, dass diese Muster bei Planung und Umsetzung stärker berücksichtigt werden. Gleiches gelte bei der Konzeption von Wohnungen, die von alleinerziehenden Frauen mit Kindern bewohnt werden sollen. Geywitz fordert Projektentwickler und Architekten dazu auf, Spielflächen, die gemeinsam genutzt werden, stärker in den Planungen von Wohnkonzepten zu berücksichtigen und Treffpunkte entstehen zu lassen, an denen sich Frauen austauschen und gegenseitig unterstützen können.

Die Einführung einer Geschlechterquote, wie sie nach einer Einigung von Unterhändlern der EU und des EU-Parlaments ab 2026 für alle börsennotierten Unternehmen gelten soll (siehe "EU plant Quote für Frauen in Führung"), sehen beide Frauen als geeignetes Mittel, um durch mehr Frauen in Führungspositionen, auch mehr weibliche Einflüsse in die Branche und deren Ergebnisse zu bringen. Als Allheilmittel sieht Geywitz die Vorgabe aber nicht, sondern betont ihre Notwendigkeit um einen Wandel in den Führungsetagen einzuleiten. "Die Quote ist natürlich eine Krücke", sagt sie und ergänzt, "am schönsten wäre es, wenn sich die Gesellschaft von alleine sortieren würde. Doch wir haben festgestellt, dass das nicht der Fall ist. Wir brauchen für einen Übergang aus meiner Sicht deshalb eine Quote. Denn Frauen können nur in die Aufsichtsräte kommen, wenn Männer auch gehen. Und das tun sie ungern und selten freiwillig."

Den Beweis dafür sieht die Ministerin in den Erfahrungen aus einer Vorphase zum Führungspositionengesetz, in der Unternehmen ihre Zielgrößen für Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten selbst festlegen konnten. "Es gab nicht wenige Unternehmen, die die Zielgröße Null definiert haben."

Absolventinnen schaffen es selten in die Chefetagen

Williams fügt hinzu, dass die politische Vorgabe auch von neuen Unternehmenskulturen begleitet werden müsse, und das Ziel zu mehr Diversität in den Chefetagen von den Vorständen auch im Alltag gelebt werden müsse. Dazu gehören laut Williams konkrete Diversitätsstrategien in den Unternehmen, die der Vorstand mitverantworten soll. Als konkrete Maßnahmen schlägt sie vor, Förderprogramme zu etablieren, die sich gezielt an Frauen richten, und Vorbilder zu schaffen. Dabei spricht sie sowohl von weiblichen Vorbildern, als auch von Männern, die die üblichen Rollenbilder durchbrechen, etwa indem sie Frauen bei der Familiengründung einen Teil der Elternzeit abnehmen.

Den jetzigen Zeitpunkt halten beide Frauen für genau den richtigen, um durch eine Quote einen Wandel voranzutreiben. "Wir stehen vor großen Transformationen", setzt Geywitz ihre Begründung an. "Wir wollen Verbrennermotoren abschaffen, aufhören mit fossilen Brennstoffen zu heizen und insgesamt als Gesellschaft CO2 neutral werden. Und es gibt noch viele andere Vorhaben, die wir zum Teil technisch noch gar nicht abbilden können. Da finde ich die Herausforderung, einen freiwerdenden Aufsichtsratsposten mit einer Frau zu besetzen, die man sich frei aussuchen kann unter vielen Millionen Frauen, die es in Deutschland und der Welt gibt, eine machbare Herausforderung." Dem stimmt Williams zu: "Es gibt genügend Frauen, die Fachexpertise an den Tag legen, und die entsprechend schnell eine Stelle besetzen können. Und weil Frauen und Männer unterschiedliche Führungskompetenzen miteinbringen, ist das aus Unternehmenssicht ein ganz wichtiger Punkt zum Thema Profitabilität und Innovationskraft. Firmen, die diese Chance nicht nutzen, vergeben sich viel."

Williams sieht aber nicht nur die Männer in der Pflicht, und fordert auch Frauen auf, sich stärker in der Branche zu behaupten. "Sie sollten mehr nach vorne gehen und den Mut haben, sich auf Führungspositionen zu bewerben, statt zu warten, bis sie ihnen angeboten werden." Auch außerhalb des eigenen Unternehmens sollten sie präsenter werden. "Frauen brauchen mehr Sichtbarkeit, etwa über Social-Media-Kanäle und als Expertinnen auf Podien bei Diskussionspanels. Dafür haben wir im Verband extra einen Referentinnen-Pool auf unserer Webseite geschaffen." Geywitz, die bisher mehr Männer auf Bühnen gesehen hat als Frauen, unterstützt diesen Ansatz.

Sie selbst habe beim Aufbau ihres Ministeriums die Chance genutzt, nicht in eine fertige Behörde hereinzukommen. So konnte sie fast den gesamten Personalstamm neu aufbauen. Dabei achtete sie als Ministerin nicht nur auf Ausgewogenheit zwischen Männern und Frauen . "Wir sind ein sehr junges Team. Und auch ein sehr weibliches. Aber mir war auch Diversität in Bezug auf die Ost-West-Frage wichtig", betont die gebürtige Potsdamerin, dass Diversität in Teams für sie nicht nur eine Geschlechterfrage ist.

Janina Stadel

EU plant verbindliche Frauenquote für börsennotierte Unternehmen

Karriere 09.06.2022
Bis 2026 sollen EU-Staaten zwischen zwei Modellen für eine Frauenquote bei der Besetzung von Führungspositionen wählen. Die Quote greift dann in allen börsennotierten Unternehmen. Anne ... 

Bis 2026 sollen EU-Staaten zwischen zwei Modellen für eine Frauenquote bei der Besetzung von Führungspositionen wählen. Die Quote greift dann in allen börsennotierten Unternehmen. Anne Tischer, Vorsitzende des immobilienwirtschaftlichen Vereins Frauen in Führung, begrüßt die Regelung.

Auf eine verbindliche Frauenquote für börsennotierte Konzerne haben sich Unterhändler der EU-Länder und des EU-Parlaments geeinigt. Sie sieht zwei Modelle vor, zwischen denen die Staaten bis 2026 wählen können. Dann müssen entweder mindestens 40% der nicht geschäftsführenden Aufsichtsratsmitglieder Frauen sein, oder ein durchschnittlicher Frauenanteil von 33% muss in Aufsichtsräten und Vorständen zusammen erreicht werden. Bei Verstößen werden Bußgelder fällig. Dieser Einigung müssen formell noch die EU-Staaten und das Europaparlament zustimmen. 

Positives Feedback zu der Regelung kommt von Anne Tischer, Vorsitzende des Vereins Frauen in Führung: “Über die EU-Quote werden all die Unternehmen in Deutschland mit terreicht, die von der bisherigen Gesetzeslage noch gar nicht betroffen waren“, erklärt sie. 

Seit 2016 gilt für Aufsichtsräte von börsennotierten und vollmitbestimmten Unternehmen eine Quote von 30% Frauen. Für die Besetzung von Vorstandsposten gilt seit 2022, dass börsennotierte und vollmitbestimmte Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern mindestens eine Frau in den Vorstand aufnehmen müssen.

Janina Stadel

ESG-Kriterien halten Einzug in die Vergütung

ESG fällt bei der Bezahlung von Führungskräften ins Gewicht.

ESG fällt bei der Bezahlung von Führungskräften ins Gewicht.

Quelle: Imago, Urheber: Panthermedia

Karriere 07.10.2021
ESG ist in aller Munde. Kaum ein Unternehmen kann sich dem Ruf nach mehr sozialer, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit noch entziehen. Damit es nicht bei Lippenbekenntnissen ... 

ESG ist in aller Munde. Kaum ein Unternehmen kann sich dem Ruf nach mehr sozialer, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit noch entziehen. Damit es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt, setzen auch Immobilienfirmen immer häufiger über ihre Vergütungssysteme für leitende Mitarbeiter Anreize zum nachhaltigen Handeln. Stellschraube für derlei extrinsische Motivation ist der Bonus.

Alstria und Hamborner haben es schon getan, LEG auch und Schwergewicht Vonovia sowieso: Diese Immobilien-AGs und viele mehr haben ESG-Kriterien Einzug halten lassen in die Vergütungsmodelle von Vorständen und Führungsebenen darunter. "Die Vergütung ist ein maßgeblicher Hebel zur Beeinflussung, wie Mitarbeiter agieren. Bei der Festvergütung bin ich immer gebunden – egal, wie die Leistung ausfällt. Das eigentlich interessante Steuerungsinstrument ist deshalb die variable Vergütung: Mit Incentives können Arbeitgeber zielgerichteter und flexibel steuern, was sie honorieren möchten", erklärte Björn Christ, Vergütungsexperte der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann, in einem Webinar der ZIA Akademie zu regulatorischen Anforderungen an Boni, Prämien & Co.

Und honorieren wollen und sollen die börsennotierten Arbeitgeber heute nicht nur das Erreichen finanzieller Ziele (Aktienkurs, bereinigter Gewinn etc.), sondern auch nicht-finanzielle Ziele, die nicht weniger wichtig für nachhaltigen Erfolg sind. Und dazu zählen ESG-Motive: Investments in nachhaltige Gebäude und Klimaschutz im Bestand (CO2-Reduktion, schonender Ressourcenverbrauch etc.), Übernahme sozialer Verantwortung (z.B. durch den Bau von Sozial- oder geförderten Wohnungen), gutes Führungsverhalten, gleiche Vergütung für gleichwertige Arbeit, Diversität auf Führungsebenen, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit und die Wahrung der Menschenrechte in der Baustoff-Lieferkette ... Der ESG-Kriterien sind viele denkbar. Denn einen einheitlichen Rahmen geben weder der europäische noch der deutsche Gesetzgeber vor.

Komplett freiwillig haben die AGs allerdings nicht gehandelt: Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie der EU, kurz ARUG II, hat mit sanftem Druck nachgeholfen. Und so finden sich in den Geschäftsberichten auch vieler deutscher Wohn- und Gewerbeimmobilien-AGs, teils minutiös aufgedröselt, ESG-Aspekte in den Modellen der Vorstandsvergütung.

Bei Hamborner Reit z.B. schaut der Aufsichtsrat zunächst, inwieweit der FFO je Aktie und die Vermietungsquote die gesteckten Erwartungen erreicht haben. Je nach Zielerreichungsgrad, der zwischen 0% und 150% liegen kann, fließen beide Aspekte zu 60% bzw. 40% gewichtet in die kurzfristige variable Vergütung ein. Abschließend wird der Betrag mit einem Faktor zwischen 0,8 und 1,2 multipliziert; je nachdem, wie die beiden amtierenden Vorstände Niclas Karoff (Vorsitzender) und Hans Richard Schmitz die ESG-Ziele sowie individuelle und gemeinsame Ziele – Portfoliostrategie, Asset-Management, Investor Relations etc. – erreicht haben.

Die weit gefächerten ESG-Vorhaben umfassen bei Hamborner die Flexibilisierung der Arbeitsmodelle, Abschlüsse grüner Mietverträge oder eben die Ökobilanz des Portfolios und die Verringerung der CO2-Emissionen im selbigen. Wie hoch der Anteil der ESG-Ziele am Multiplikator genau ausfällt, kann Christoph Heitmann, Head of Investor & Public Relations beim Duisburger Reit, nicht sagen. "Aber seien Sie sicher, dass die ESG-Ziele dabei in der Regel einen ebenso hohen Anteil haben wie die übrigen Ziele."

"Der ESG-Anteil darf kein Feigenblatt sein"

Eine Untergrenze für die Gewichtung von ESG-Zielen sieht die Regulatorik nicht vor. Anwalt Christ stellt aber klar: "Das muss angemessen sein. Wenn Nachhaltigkeitsziele z.B. nur 0,5% ausmachen, wäre das ganz sicher nicht mehr angemessen. Vergütung ist vielleicht nur einer von vielen Punkten, wie ESG in einem Unternehmen implementiert wird, aber eben ein ganz zentraler Hebel. Das darf kein Feigeblatt sein."

Zurück zum Beispiel Hamborner: Summa summarum hat Karoff für 2020 das Optimum rausgeholt: Seinen Modifier sah der Aufsichtsrat an der Obergrenze von 1,2. Schmitz landete mit 1,15 knapp darunter. Auf der zweiten Führungsebene werden – je nachdem, welche Themen aus dem umfangreichen ESG-Programm gerade anstehen, ebenfalls "individuelle Ziele für einzelne involvierte Abteilungsleiter formuliert", erklärt Heitmann.

Was im Einzelnen unter dem Begriff ESG subsumiert werden kann und was nicht – dazu gehen die Meinungen mitunter auseinander. Einheitliche Vorgaben gibt es nämlich nicht, weder für die Assetklasse Immobilien noch für Immobilienunternehmen als solche. Das Fehlen von Standards ist jedoch nicht mit Beliebigkeit gleichzusetzen. "Die Bafin ist sensibilisiert für Greenwashing", sagt Christs GSK-Kollegin Lisa Watermann. Der Stempel altersgerecht beispielsweise allein reiche nicht, um ein Wohnungsprodukt als ESG-konform zu deklarieren.

Es sei aber nicht so, betont Watermann, dass Unternehmen versuchen würden, sich billig einen grünen Anstrich zu verleihen. Vielmehr befinde sich die Finanzindustrie in einem waschechten Transformationsprozess: "Besonders diejenigen Kapitalverwaltungsgesellschaften, die erst anfangen, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen, müssen Lernschleifen drehen. Das ist eine der Riesenherausforderungen für unsere Mandanten, dass es hier keine einheitlichen und insofern verbindlichen Standards gibt."

Nachhaltigkeitsaspekte spielen aber nicht nur in den Zielvereinbarungen von Führungskräften börsennotierter Konzerne oder regulierter Finanzdienstleister eine immer größere Rolle. Auch jenseits von immer strengeren gesetzlichen Vorgaben wächst das Bewusstsein dafür, dass ESG-Ziele in den Vergütungssystemen verankert werden müssen, um den Erwartungen von Kunden und der Öffentlichkeit gerecht zu werden. Und während "altersgerechte" Wohnungen – ohne weitergehende Konkretisierungen – vor den strengen Augen der Bafin eher nicht bestehen, sähe es mit Sozialwohnungen wahrscheinlich anders aus. Die Schaffung sozialen Wohnraums hätten sich, weiß Watermann, bisher jedoch vor allem solche Wohnungsbauunternehmen auf die Fahnen geschrieben, hinter denen Investorengruppen stehen, die das Gemeinwohl besonders im Blick haben.

Belohnung auch unter der Vorstandsebene

Wer den großen Wurf scheut, kann sich dem Thema in kleinen Schritten nähern und seiner Belegschaft niederschwellige Angebote machen: "Um das Bewusstsein für die Bedeutung von nachhaltigem Handeln zu vergrößern, kann auch die Durchführung bzw. Teilnahme an Schulungen zum Thema ESG als vergütungsrelevantes Ziel vereinbart werden", schlägt Christ vor. Dabei sollten Führungskräfte dafür belohnt werden, dass sie entsprechende Konzepte erarbeiten und umsetzen, und die übrigen Mitarbeiter dafür, dass sie an solchen Workshops teilnehmen.

Denn eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche: "Vor dem Druck der Investoren gibt es kein Entkommen", mahnt Watermann. Heute ist es vielleicht noch dem Zufall überlassen, ob sich bei einem mittelständischen Projektentwickler jemand zum ESG-Beauftragten erklärt. Doch langfristig dürfen Entwickler "keine Steine verbauen, die durch Kinderarbeit in Indien entstanden sind. Am Ende soll die Gebäude ja ein Investor kaufen wollen", spitzt es die Finanzmarktexpertin zu. Eine Motivationsspritze in Gestalt eines ESG-Bonus für den Geschäftsführer – oder, wenn nötig, eines Malus – könnte Wunder wirken.


Harald Thomeczek

ESG-Experten haben viele Gesichter

V.l.n.r.: Giulia Peretti (Real I.S.), Marco Helbig (IC Immobilien), Madlen Fiedler (Hansainvest Real Assets), Werner Harteis (Wealthcap) und Viola Joncic (Commerz Real).

V.l.n.r.: Giulia Peretti (Real I.S.), Marco Helbig (IC Immobilien), Madlen Fiedler (Hansainvest Real Assets), Werner Harteis (Wealthcap) und Viola Joncic (Commerz Real).

Bildquellen: Real I.S., IC Immobilien, Hansainvest Real Assets, Wealthcap, Commerz Real

Karriere 29.07.2021
Ob Offenlegungsverordnung, EU-Taxonomie oder Green-Finance-Anforderungen: Die ESG-Regulatorik verschont die Immobilienbranche nicht. Anleger geben den Druck, den die europäischen ... 

Ob Offenlegungsverordnung, EU-Taxonomie oder Green-Finance-Anforderungen: Die ESG-Regulatorik verschont die Immobilienbranche nicht. Anleger geben den Druck, den die europäischen Regulatoren entfachen, direkt an ihre Fondsmanager und Dienstleister weiter. Diese lassen sich unterschiedliche Lösungen für die Besetzung von ESG-Rollen einfallen.

Fonds- und Investmentmanager, Asset- und Property-Manager sowie alle anderen Marktteilnehmer, die sich dieser Aufgabe stellen müssen, eint eine Erkenntnis: "Fix und fertige ESG-Experten existieren nicht", sagt Werner Harteis. "Der eine ist mehr strategisch unterwegs, der andere steckt mehr in den Prozessen drin - und selbst wenn Sie einen Umweltingenieur haben, deckt der auch nur einen Teil des Themas ab." Harteis leitet beim Fondsanbieter Wealthcap das Risikomanagement und verantwortet bei der HVB-Tochter seit gut einem Jahr zusätzlich den Bereich Environmental and Social Governance (ESG) auf der Unternehmensebene.

Der Grund für diese Vielfalt: Den einen klassischen Königsweg zum ESG-Profi gibt es nicht. "Studieren kann man das - noch - nicht", sagt Madlen Fiedler, die bei Hansainvest Real Assets für ESG-Themen zuständig ist. Viele, die sich damit auskennen, haben sich ihr Wissen selbst angeeignet. Das sind Generalisten, Allrounder", sagt Fiedler. Und das sollen sie auch sein: "Man muss das A bis Z der Immobilie bedienen können, weil man an den Schnittstellen sitzt - da braucht es Praxisleute; allein mit der Theorie kommt man da nicht weit."

Beim Recruiting ist Flexibilität gefragt

Kathrin von Hardenberg, Geschäftsführerin der Personalberatung Indigo Headhunters, rät Immobilienunternehmen, beim Recruiting von ESG-Experten Flexibilität zu zeigen. "Klassische Eins-zu-eins-Besetzungen wie z.B. im Investment- oder im Asset-Management sind hier meistens nicht möglich." Kandidaten, die

hier reüssieren möchten, sollten sich mit der Finanzindustrie ebenso gut auskennen wie mit dem Pariser Klimaabkommen und CO2-Budgets. Und sollten in der Lage sein, all dies auf ganz konkrete Immobilien übertragen zu können:

Wann droht ein Gebäude auf dem langen Weg zur Klimaneutralität die vorgegebene Messlatte zu reißen? Und mit welchen Investitionen kann der Asset-Manager es auf den rechten Pfad zurückführen?

ESG-Profis sollten dabei nicht nur langfristige Risiken im Blick behalten. Aktuelles Beispiel Starkregen/Überschwemmungsgefahr: "Das ist Teil unserer Sustainability Due Diligence", sagt Viola Joncic, die bei Commerz Real den Nachhaltigkeitshut aufhat. "Was gekauft wird, entscheidet am Ende das Fondsmanagement; aber wir helfen dabei, die Risiken abzuwägen." Dazu gehört auch die Frage: "Wie hoch sind die Prämien, wenn ich ein Risiko versichern möchte - und ist das noch bezahlbar? Es gab schon Gebäude, die wir nicht gekauft haben, weil die Versicherungsprämien zu hoch waren."

Und dann sind da ja noch das S und G in ESG. Unter dem S werden z.B. Spenden und Sponsorings sozialer Einrichtungen verbucht, aber auch Investments z.B. des offenen Publikumsfonds Hausinvest in geförderte bzw. als bezahlbar geltende Wohnungen oder alles, was den Mitarbeitern zugute kommt, etwa mobiles Arbeiten oder Jobfahrräder. Das G der guten Unternehmensführung indes ist am schwersten zu fassen bzw. zu messen. Es bezieht sich vor allem auf Richt- und Leitlinien der UN, des deutschen Fondsverbands BVI und des Instituts für Corporate Governance der Immobilienwirtschaft (ICG).

Klar ist: "ESG ist ein weites Feld, man muss interdisziplinär arbeiten können und in der Lage sein, von einer Stunde auf die andere in einer anderes Themengebiet zu springen und viele Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten. Außerdem ist Kommunikation extrem wichtig, auf allen Ebenen: vom Vorstand bis zur operativen Fachabteilung, die die Dinge am Ende umsetzt", beschreibt Joncic ihre täglichen Herausforderungen.

Diese Herausforderung, ESG bei sich zu verankern, lösen die Immobilienunternehmen auf ganz unterschiedliche Weise: Die einen rekrutieren extern, z.B. bei Beratungsgesellschaften, andere vertrauen auf hauseigene Ressourcen. Bei den einen trägt ESG ein einzelnes Gesicht, die anderen stellen ganze Teams zusammen.

Beispiel Wealthcap: Die HVB-Tochter hat eine zwölfköpfige ESG-Mannschaft mit Spielern aus allen Abteilungen aufgestellt: Asset- und Fondsmanagement, Real Estate und Alternative Investments, Risiko- und Prozessmanagement, Finanzierung, Kommunikation etc.

Die Kollegen widmen einen erklecklichen Teil ihrer Arbeitszeit ihrem Zweitjob - "30% bis 70%", meint Harteis, der mit seiner Zweitrolle selbst "mindestens die Hälfte" seiner Zeit verbringt. Sie behalten aber auch ihre bisherigen Rollen. "Uns war wichtig, dass wir die Themen in die gesamte Organisation reinbringen", so Harteis.

Das scheint ziemlich gut zu funktionieren, denn mittlerweile würden immer mehr Kollegen mitmischen wollen: "In Meetings treffen wir uns inzwischen teilweise mit 20 Leuten. Da muss man schon ein bisschen auf die Disziplin achten."

Bei einer anderen Bankentochter dagegen, Commerz Real, zieht Viola Joncic als Head of Sustainability full-time und hauptamtlich die ESG-Strippen. Joncic wurde von Deloitte abgeworben: Die einschlägigen Beratungsgesellschaften gelten mit als Vorreiter der ESG-Bewegung. Real I.S., Immobilienfondstochter der Bayern LB, hat sich mit Giulia Peretti ebenfalls für eine externe Lösung entschieden. Peretti kam vom Ingenieurbüro Werner Sobek, wo sie Teamleiterin für Nachhaltigkeit, Bauphysik und Zertifizierung war, und brachte Erfahrung als DGNB-Auditorin und Sachverständige für nachhaltiges Bauen mit.

Eine interne Beförderung wählten der Asset-Manager Hansainvest Real Assets, der zur Signal-Iduna-Gruppe gehört, und IC Immobilien. Hansainvest übertrug Fiedler als Abteilungsleiterin Property-Management zusätzlich die ESG-Verantwortung. Damit sie sich künftig im Schwerpunkt um ihre neue Rolle kümmern kann, soll sie das Property-Management an einen separaten Abteilungsleiter abgeben, der noch eingestellt werden soll.

Ähnlich wie die Signal-Iduna-Tochter machte es der Property-Manager IC Immobilien. Getrieben von den Anforderungen ihrer Kunden, die sich ihrerseits mit wachsenden regulatorischen Ansprüchen konfrontiert sehen, machte die IC-Geschäftsführung Marco Helbig, bereits Leiter Prozessmanagement bei IC, auch noch zum Head of ESG. "Um das Thema zu treiben, müssen Sie jemandem den Hut aufsetzen, der sich verantwortlich fühlt", sagt Michael Stüber, Geschäftsführer der IC Immobilien Holding.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass ESG in Immobilienfirmen eher stiefmütterlich behandelt wurde. Ganz darum herum kam man nicht, allzu viel sollte die Beschäftigung mit diesen Non-Profit-Dingen aber nicht kosten. So wurden gern auch euphorische Youngster, die vielleicht keine 120.000 Euro im Jahr verlangen, sondern sich schon mit 65.000 Euro bescheiden, auf das Thema angesetzt - mehr als Feigenblatt denn als echte Transformationsbegleiter.

"Nehmen Sie das Zepter in die Hand!"

Diese Zeiten sind vorbei: ESG ist profitrelevant geworden, Jobs in der Immobilienbranche sprießen seit ein, zwei Jahren wie die Pilze aus dem Boden. Gutes tun und Karriere machen schließen sich nicht mehr aus: "Im Gegensatz zu einer NGO oder zur Wissenschaft kann ich in der Wirtschaft unmittelbar Wirkung erzielen - und das zu einer ordentlichen Bezahlung und mit einem unbefristeten Vertrag", sagt Joncic.

Wer Karriere in Sachen ESG machen will, sollte nicht zögern: "Wer sich wirklich für das Thema interessiert, dem sei gesagt: Es gibt da draußen nicht viele Leute, die weiter sind als Sie selbst. Wenn Sie frühzeitig die Hand heben, haben Sie hier gerade gute Chancen", prophezeit Headhunterin Hardenberg. Wichtiger als Zusatzausbildungen (z.B. bei der DVFA, der DGNB oder an der EBS) sei der richtige Spirit: "Nehmen Sie das Zepter in die Hand! Arbeiten Sie an ESG-Initiativen mit, vernetzen Sie sich mit Interessierten aus anderen Unternehmen und werden Sie visibel, indem Sie sich z.B. auf Panels setzen, ob virtuell oder analog."

ESG-Mann Helbig von IC Immobilien hat genau das getan, wie sein Geschäftsführer Michael Stüber berichtet: "Marco hat sich uns aktiv aufdrängt. Er hat ein ganz persönliches Interesse an dem Thema, nicht zuletzt, weil er selbst Kinder hat. Es ist wichtig, dass sich jemand mit ESG identifiziert, nur dann kann er andere mitnehmen." Die nötige fachliche Qualifikation brachte Helbig offensichtlich auch mit: Den Personalmarkt scannte Stüber nämlich gar nicht erst nach externen Lösungen ab.

Der Bedarf an ESG-Experten wächst. Fiedlers Team bei Hansainvest beispielsweise soll mittelfristig von zwei auf fünf Kollegen anwachsen.

Denn die Aufgaben nehmen in der Breite und Tiefe zu: Sie reichen vom Abschluss günstiger Stromrahmenverträge und der Zentralisierung des Abfallmanagements über diverse datengesättigte Reportings an Signal Iduna und die Erstellung eines ESG-Katalogs für die Ankaufs-Due-Diligence bis hin zum Verkäufer-Screening im Rahmen der Bonitätsabfrage bei Creditreform: "Wir sind in Gesprächen, das auszubauen."

Harald Thomeczek

EuGH kippt verbindliche Honorarsätze der HOAI

Den Europäischen Gerichtshof haben die Argumente Deutschlands nicht überzeugt.

Den Europäischen Gerichtshof haben die Argumente Deutschlands nicht überzeugt.

Quelle: Fotolia.com, Urheber: Florian Bauer

Karriere 04.07.2019
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das bindende Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zu Fall gebracht. ... 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das bindende Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zu Fall gebracht.

Nach dem heute Morgen verkündeten Urteil verstößt Deutschland mit den verbindlichen Mindest- und Höchstsätzen für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie, nach der in einem freien europäischen Binnenmarkt Wettbewerb grundsätzlich auch über den Preis möglich sein soll. Der Argumentation Deutschlands, der feste Preisrahmen der HOAI sei unerlässlichlich für die Bauqualität und den Verbraucherschutz, folgten die Richter nicht. Sie hielten vielmehr dagegen: In allen anderen EU-Mitgliedsstaaten würden auch ohne verbindliche Honorarsätze qualitätsvolle Architektur- und Ingenieurleistungen erbracht.

Deutschland hat nun voraussichtlich bis zu einem Jahr Zeit, auf die Entscheidung des EuGH zu reagieren. Die Bundesarchitektenkammer forderte umgehend, "die Leistungsbilder und Honorarsätze der HOAI mit Zustimmung der Bundesländer zumindest als abgeprüften Referenzrahmen zu erhalten".

Erfolgsaussichten für Aufstockungsklagen gesunken

Unmittelbare Konsequenzen dürfte das EuGH-Urteil aber schon jetzt entfalten: Zum einen sind die Erfolgsaussichten für sogenannte Aufstockungsklagen gesunken. Es kommt immer wieder vor, dass z.B. ein Architekt, der mit seinem Auftraggeber zunächst vertraglich ein Pauschalhonorar unterhalb des HOAI-Mindestsatzes vereinbart hat, im Nachhinein ebendiesen Mindestsatz einzuklagen versucht. Bisher standen die Chancen gut, mit einer solchen Aufstockungsklage erfolgreich zu sein.

Eine zweite direkte Folge des heutigen Urteils: Ein Angebot in einem Vergabeverfahren der öffentlichen Hand auszuschließen, weil es die Mindestsätze der HOAI unterschreitet - oder, was aber seltener vorkommen dürfte - die Höchstsätze überschreitet, dürfte ab heute daher nicht mehr zulässig sein. Darauf weist u.a. die Kanzlei Kapellmann und Partner hin.

Die Entscheidung des EuGH kommt nicht überraschend: Bereits der für den Fall zuständige Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen im Februar 2019 moniert, dass das bindende Preisrecht der HOAI Architekten und Ingenieure in unzulässiger Weise daran hindere, sich über niedrige Preise im Markt zu etablieren.

Interessant ist, dass die europäischen Richter Mindestsätze für Planungsleistungen mit Blick auf den deutschen Markt mit vielen kleinen und mittelgroßen Marktteilnehmern nicht grundsätzlich für das falsche Mittel halten, eine hohe Bauqualität sicherzustellen. Die deutsche Regelung sei jedoch inkohärent: Denn in Deutschland könnten Planungsleistungen nicht nur von Architekten und Ingenieuren, sondern auch von Dienstleistern erbracht werden, die keine entsprechende fachliche Eignung nachweisen müssen. Daraus schließen die Richter: Mindestsätze seien nicht geeignet, eine hohe Planungsqualität zu erreichen, wenn für die Erbringer dieser Leistungen, die ebendiesen Mindestsätzen unterliegen, nicht selbst auch Mindestanforderungen gälten.

Harald Thomeczek

Gleicher Ort, gleicher Lohn

Karriere 02.11.2017
Die Arbeits- und Sozialminister der EU einigen sich auf eine Reform der Entsenderichtlinie. Das löst gemischte Gefühle aus. ... 

Die Arbeits- und Sozialminister der EU einigen sich auf eine Reform der Entsenderichtlinie. Das löst gemischte Gefühle aus.

Die europäischen Arbeits- und Sozialminister haben sich auf eine Reform der Entsenderichtlinie von 1996 geeinigt. Der Kerngedanke: gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Entsandte Arbeiter sollen also im Prinzip genauso bezahlt werden wie einheimische Kollegen. Firmen, die Bauarbeiter z.B. aus dem osteuropäischen Ausland auf deutsche Baustellen schicken, könnten damit zukünftig dazu verpflichtet werden, außer dem Mindestlohn auch andere Vergütungsbestandteile, die in Deutschland z.B. für schwere Arbeiten fällig werden, zu zahlen.

Während die Gewerkschaft IG Bau die Reformpläne begrüßt, weil sie den "durch die bisherigen Regelungen der Entsenderichtlinie verursachten Lohndruck deutlich reduziert", hält der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes die Pläne für wenig praxistauglich, nicht zielführend und kontraproduktiv: Schon die Einhaltung des Mindestlohns sei schwer zu kontrollieren - wie solle das erst aussehen, wenn z.B. auch die Zahlung von Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen kontrolliert werden müsste?

Daran, dass entsandte Arbeitnehmer nicht zu den gleichen Lohnkosten auf deutschen Baustellen arbeiten wie deutsche Facharbeiter, werde sich außerdem ohnehin nichts ändern, denn z.B. die Sozialabgaben für ausländische Arbeitnehmer seien ja weiterhin deutlich niedriger als für deutsche Beschäftigte, so der Arbeitgeberverband. Würden die Reformpläne in der Baubranche umgesetzt, sei dies nicht etwa zum Wohl entsandter Arbeitnehmer, im Gegenteil: Damit würde "der Scheinselbstständigkeit und damit dem Unterlaufen von Mindeststandards Tür und Tor geöffnet".

Harald Thomeczek

"Häufig geht es nicht ohne den Staat!"

"Mit der Pubertät ist der ZIA nun im Wesentlichen durch", sagt der neue Geschäftsführer Stephan Rabe.

"Mit der Pubertät ist der ZIA nun im Wesentlichen durch", sagt der neue Geschäftsführer Stephan Rabe.

Bild: bb

Köpfe 05.02.2015
Stephan Rabe, 52, ist seit November 2014 an der Seite von Klaus-Peter Hesse Geschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). Der Jurist erklärt im IZ-Interview, welche Themen er ... 

Stephan Rabe, 52, ist seit November 2014 an der Seite von Klaus-Peter Hesse Geschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). Der Jurist erklärt im IZ-Interview, welche Themen er setzen will, was er in Brüssel vorhat, wieso ihn das Bestellerprinzip nicht stört und warum steuerliche Förderungen aus seiner Sicht keine Subventionen sind.

Immobilien Zeitung: Herr Rabe, Sie haben Ihr warmes Nest als stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Bankenverband VÖB verlassen, um Geschäftsführer beim ZIA zu werden, den Ihr Vorgänger Axel von Goldbeck eine Dauerbaustelle nannte. Warum der Wechsel von der gut beheizten Bank auf die zugige Baustelle?

Stephan Rabe: Ich würde den ZIA nicht als eine Baustelle betrachten, schon gar nicht als eine, auf der es drunter und drüber geht. Der ZIA ist, gemessen an den anderen Verbänden der Immobilienbranche, noch sehr jung und hat sich nach meinem Eindruck mit inzwischen 202 Mitgliedern - darunter 25 Verbänden - deutlich besser entwickelt, als sich die Gründerväter das 2006 gedacht hatten. Mit der Pubertät ist der ZIA nun im Wesentlichen durch, jetzt kommt das Erwachsenenalter. Die Strukturen sind gefestigt. In der Organisation geht es jetzt im Wesentlichen um Ergänzungen, nicht um das Erfinden grundlegend neuer Strukturen.

IZ: Dennoch: Was wollen Sie alles neu machen?

Rabe: Eine meiner wichtigsten Aufgaben wird es sein, die Interessen der Deutschen Immobilienbranche bei der Europäischen Union in Brüssel stärker zu vertreten. Es gibt in Brüssel keine dem breiten Aufgabenspektrum des ZIA entsprechende immobilienwirtschaftliche Interessenvertretung, der wir uns anschließen könnten. Daher wollen wir uns bei der Kommission und im Europäischen Parlament noch stärker als bisher eigene Kontakte erschließen. Bislang sind wir in Brüssel über das Büro des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) vertreten. Dort bezahlen wir eine halbe Stelle. Wir denken nun darüber nach, wie wir unsere Präsenz in Europa ausbauen können.

IZ: In Deutschland ist die Immobilienwirtschaft mit konkreten Themen wie der Mietpreisbremse, diversen Grunderwerbsteuererhöhungen und der Forderung nach besseren Abschreibungsmöglichkeiten beim Wohnungsbau beschäftigt. Welche Themen sehen Sie für den ZIA in Brüssel?

Rabe: Eine Reihe von Themen sind tatsächlich abgeräumt. Die Bankenregulierung ist durch und das für Versicherungen relevante Thema Solvency II ist auf einem vernünftigen Weg. Aber denken Sie an künftige Regulierungsthemen wie die angekündigte Kapitalmarktunion, Verbraucherschutzthemen oder an die Energieeffizienz-Richtlinie. Es ist wichtig, so etwas vor Ort intensiv zu begleiten.

IZ: Hätte der ZIA in Brüssel längst viel stärker präsent sein müssen?

Rabe: Bei uns ging es in den ersten Jahren sicherlich erst einmal darum, Strukturen aufzubauen und sich in Deutschland zu etablieren. Jetzt aber - ich sprach ja vom Erwachsenenalter - ist es wichtig, in Brüssel permanent vor Ort zu sein, um neben den offiziellen auch informelle Kontakte pflegen zu können. Das ist in vielen Fällen wichtiger, als die meisten offiziellen Termine es sind.

IZ: Dem VÖB haben Sie nach 15 Jahren den Rücken gekehrt, weil sie dort nicht die Nummer eins geworden sind. Beim ZIA teilen Sie sich die Geschäftsführung mit Klaus-Peter Hesse. Die bisher von Axel von Goldbeck ausgeübte Sprecherfunktion entfällt. Lohnt es sich für Sie dann überhaupt, gewechselt zu sein?

Rabe: Das ist nicht meine Herangehensweise. Beim VÖB sah ich für mich keine Perspektive mehr, und beim ZIA reizen mich eine Reihe neuer Aufgaben. Wir teilen uns die Fachbereiche auf. Klaus-Peter Hesse kümmert sich zum Beispiel um Themen wie Stadtentwicklung, Wohnen und Nachhaltigkeit, und ich nutze mein Know-how in den Bereichen Finanzierung, Regulierung und Europapolitik. Eine Sprecherfunktion ist bei einer solchen Arbeitsteilung nicht erforderlich.

IZ: Sie sind studierter Volljurist und Experte im Bankenmetier. Woher kommt Ihre Expertise in Immobiliendingen?

Rabe: Immobilienthemen haben schon in meiner alten Funktion eine Rolle gespielt. Als ZIA-Geschäftsführer habe ich den Anspruch, mich in der gebotenen Tiefe in die relevanten Themen einzuarbeiten, aber ich muss nicht in allen fachspezifischen Themen tief drin sein. Ich bin ja nicht allein, sondern wir sind beim ZIA fast 20 Mitarbeiter. Grundsätzlich ist es so, dass der Schritt von der Bankenwelt in die Immobilienbranche gar nicht so groß ist, jedenfalls nicht so groß, wie ein Wechsel in die Zigaretten- oder Automobilindustrie es wäre. Das sehen Sie schon daran, dass ich bereits in meiner vorherigen Tätigkeit viele Male auf der Expo Real war. Immobilien und Finanzierung sind Themen, bei denen es eine Reihe von Schnittmengen gibt.

IZ: Trotz aller Europapläne: Das Gros Ihrer Arbeit als Vertreter eines Lobbyverbands der deutschen Immobilienwirtschaft werden Sie in Berlin erledigen. Welches Bundesministerium ist für den Geschäftsführer des ZIA das wichtigste: Bau, Wirtschaft oder Finanzen?

Rabe: Für meinen Zuständigkeitsbereich ist das Bundesfinanzministerium das wichtigste. Das ergibt sich schon aus Feldern wie der Finanzmarktregulierung und Steuern. In der ZIA-Gesamtsicht ist aber das Bauministerium erster Ansprechpartner.

IZ: Mit dem Stichwort Steuern meinen Sie das Interesse Ihres Verbandes daran, steuerliche Förderungen für die energetische Gebäudesanierung, den Wohnungsneubau und den seniorengerechten Umbau von Wohnungen durchzusetzen. Wie passen solche Forderungen nach staatlichen Subventionen zu der gängigen Forderung des ZIA, der Staat möge sich aus möglichst viel heraushalten?

Rabe: Ich sehe in den von Ihnen genannten Punkten keinen Ruf nach Subventionen. Das sind eher Incentives.

IZ: Also Subventionen.

Rabe: Wir meinen Instrumente des Staates zum Anstoßen politisch gewünschter Entwicklungen. Zum Beispiel über die Förderbank KfW mit ihrem 100.000-Dächer-Programm, das von 1999 bis 2003 lief. Bei so etwas ist es nicht die Immobilienwirtschaft, die nach Unterstützung ruft, sondern der Staat ergreift die Initiative und fördert, was er fördern möchte. Aber grundsätzlich gebe ich Ihnen Recht: Es ist ein Widerspruch, wenn die Branche einerseits den Markt als Regulativ befürwortet und andererseits staatliche Fördermittel begrüßt. Das Problem ist aber: Häufig geht es nicht ohne den Staat. Wir brauchen ihn zum Beispiel dafür, für breite Bevölkerungsschichten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

IZ: Derzeit könnte man den Eindruck gewinnen, nicht das Ministerium von Wolfgang Schäuble wäre das wichtigste für die Immobilienwirtschaft, sondern das Bundesjustizministerium, weil dort das Gesetz zur Mietpreisbremse geschrieben wird.

Rabe: Die Mietpreisbremse ist in der Tat unser Schockthema. Wir rätseln zwar noch immer über den Zeitplan des parlamentarischen Verfahrens, aber wir gehen davon aus, dass die Mietpreisbremse kommen wird.

IZ: Eine Niederlage des ZIA, dass er die Bremse nicht verhindert hat?

Rabe: Nein, ich werte es eher als Erfolg, dass es uns gelungen ist, Neubauten aus dem Gesetz herauszuhalten und eine zeitliche Begrenzung der Mietpreisbremse erreicht zu haben. Es gibt einen großen Unterschied zwischen der ursprünglichen Fassung des Gesetzestextes und der jetzt vorliegenden. Wir müssen unseren Mitgliedern immer wieder erklären, was ein Verband leisten kann und was nicht. Er kann Entwicklungen oft nicht vollständig verhindern, aber es lohnt sich, wenn er sich einbringt. Wir müssen voraussichtlich mit der Bremse leben, tun das aber nicht gerne. Sie wird nach unserer Einschätzung ohnehin nur wenig bewirken, wenn sie nicht von staatlichen Maßnahmen zur Ankurbelung des Wohnungsbaus flankiert wird. Wir denken da an die Wiedereinführung der degressiven AfA und daran, dass Kommunen günstiges Bauland zur Verfügung stellen.

IZ: Was die Kommunen in der Regel gar nicht dürfen, ganz abgesehen davon, dass viele von ihnen so gut wie pleite sind und nichts zu verschenken haben.

Rabe: Es stimmt, dass auch Kommunen nichts zu verschenken haben. Gleichwohl halte ich die Forderung nach einem Beitrag zu politisch gewünschten Effekten für zulässig.

IZ: Juckt Sie das Bestellerprinzip für Makler bei der Vermietung von Wohnungen?

Rabe: Das ist für uns kein Kernthema. Darum kümmert sich der IVD, der betont, er wolle ein echtes Bestellerprinzip haben und keine Regelung, bei der fast immer der Vermieter den Makler bezahlen muss. Bei uns ist es so: Wir vertreten auch eine Reihe von Maklern, die Gewerbeimmobilien vermitteln. In diesem Teil der Branche wird längst ein Bestellerprinzip praktiziert. Also fragen sich die dort Tätigen: Wo ist das Problem?

IZ: Der ZIA will das Thema Innovation besetzen und hat mit Martin Rodeck neuerdings einen Innovationsbeauftragten. Steckt Substanzielles dahinter, oder ist das nur PR?

Rabe: Wir meinen das schon substanziell. Bei uns werden darunter Themen wie digitales Bauen oder neue Formen altersgerechten Wohnens verstanden. Da geht es zum Beispiel darum, wie Wohnungen altersgerecht konfiguriert werden können, ob die Pflegeversicherung bei der Finanzierung noch stärker herangezogen werden kann und welche anderen innovativen Fördermöglichkeiten es gibt. Oder wir fragen, inwieweit es möglich ist, in bestehende Wohnquartiere Pflegedienste zu integrieren, damit ältere Menschen möglichst lange in ihren Wohnungen bleiben können.

IZ: Ihr Verband gilt als Erfolgsgeschichte. Das wird an der anerkannten Kompetenz, aber auch an der stetig gestiegenen Zahl der Mitglieder festgemacht. Wie groß schätzen Sie das noch zu erschließende Potenzial von Mitgliedern ein?

Rabe: Der ZIA hat in den vergangenen drei Jahren etwa 50 Mitglieder hinzugewonnen. Ich hoffe, dass sich diese positive Entwicklung fortsetzt. Wachstumsmöglichkeiten sehe ich in allen unseren Tätigkeitsfeldern, zum Beispiel bei den Dienstleistern rund um die Immobilie, den Banken und in den Bereichen Hotel und Anwaltskanzleien. Die Zielmarke, 10.000 Mitglieder zu haben, ist aber sicher nicht unser Anspruch.

IZ: Herr Rabe, danke fürs Gespräch.

Das Interview führte Bernhard Bomke.

Bernhard Bomke

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