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Nicht jeder Kandidat bleibt bei der Bewerbung ehrlich

Erfahrene Personaler achten auf den Tonfall ihrer Bewerber.

Erfahrene Personaler achten auf den Tonfall ihrer Bewerber.

Quelle: stock.adobe.com, Urheber: Seventyfour

Karriere 20.07.2023
Wer um eine Stelle kämpft, hebt seine Fähigkeiten und positiven Eigenschaften in Bewerbungsschreiben besonders hervor. Erfahrene Personaler wissen das und hinterfragen die Angaben. Während sie ... 

Wer um eine Stelle kämpft, hebt seine Fähigkeiten und positiven Eigenschaften in Bewerbungsschreiben besonders hervor. Erfahrene Personaler wissen das und hinterfragen die Angaben. Während sie im Facility-Management vor allem angegebene Vorerfahrungen nachprüfen, sind es bei Managerposten eher die Softskills, die nicht alle Kandidaten in ihren Schreiben richtig darstellen.

Lügen haben kurze Beine, das gilt auch bei der Jobsuche. Und obwohl das Sprichwort allseits bekannt ist, geben Bewerber trotzdem ungern zu, etwas nicht gut zu können. Etwa, dass sie sich mit dem vorigen Chef verkracht haben und deswegen ihren Posten räumen mussten. Oder dass sie nicht so belastbar waren wie andere Teammitglieder. Als Ausweg beschönigen sie mitunter ihre Leistungen und Fähigkeiten, wenn sie sich auf eine Stelle bewerben. "Jobinteressierte denken, ihre vermeintlich unangenehmen Seiten kommen nicht gut an. Dann flunkern sie lieber, statt ihre Herausforderungen offen anzusprechen", sagt Viktoria Kaiser, Personalleiterin beim Facility-Management-Unternehmen Klüh. Kaiser arbeitet seit zehn Jahren im Personalwesen, rund tausend Bewerbungen sind schon über ihren Tisch gegangen. Immer wieder ist auch jemand dabei, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt.

Während Kaiser als Vertreterin des Facility-Managements offen über das Thema spricht, sind andere Sparten der Immobilienwirtschaft weniger auskunftsfreudig. Sowohl große Baukonzerne als auch Maklerhäuser wollten sich auf Anfrage der Immobilien Zeitung nicht dazu äußern. Dabei ist das Thema akut: Mehr als zwei Drittel derer, die hierzulande in der Immobilienbranche und im Bauwesen arbeiten, haben schon in ihrem Lebenslauf falsche Angaben gemacht. Damit liegt die Branche auf Platz drei der größten Lügner, hinter Kunst und Kultur sowie Transport und Logistik. Das zeigt eine Umfrage unter 3.000 Deutschen, die von der Lebenslaufplattform CVApp durchgeführt wurde.

Am häufigsten wird in der Branche bei den eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen (84%) geflunkert. Kein Wunder, denn fachliche Qualifikationen wie Abschlüsse und Zertifikate lassen sich leicht nachprüfen. Doch bei Softskills sieht das anders aus. Ob eine Bewerberin kommunikationsstark ist oder ein Kandidat ein echter Teamplayer oder ein Einzelkämpfer ist, lässt sich beim ersten Kennenlernen nicht immer feststellen.

Headhunter Dominik Roth, Partner des Münchner Büros der Beratung Mercuri Urval, fühlt Kandidaten immer sofort auf den Zahn. Er setzt dafür auf die Methode der Critical Incident Interviews, wenn es darum geht, Führungspositionen in der Immobilienwirtschaft zu besetzen. "Es gehört zum guten Ton, sich etwas besser darzustellen, als man ist", sagt er. Mit dem Wissen im Hinterkopf fragt er detailliert nach: Gibt jemand an, besonders verhandlungsstark zu sein, lässt er den Kandidaten eine Situation beschreiben, in der er diese Stärke unter Beweis stellen konnte. Softskills im Lebenslauf dagegen ignoriert Roth. "Jeder würde von sich sagen, dass er kommunikationsstark und empathisch ist."

Während Roth den Track-Record seiner Manager durchleuchtet – also eine Aufstellung der Leistungen und Erfolge – und sogar bei den im Lebenslauf angegebenen Referenzpersonen anruft, um sich die Stationen des Bewerbers bestätigen zu lassen, greift Klüh-Personalleiterin Kaiser auf andere Taktiken zurück. Immerhin sucht sie selten Führungskräfte, sondern stellt vor allem Sicherheitsmitarbeiter, Küchenhilfen und kaufmännisches Personal ein.

Männer schummeln häufiger als Frauen

Ihr Vorgehen: Sie gleicht zwar auch Arbeitszeugnisse mit den im Lebenslauf aufgeführten Beschäftigungszeiten ab, doch die Lügenausbeute ist gering: "Da ist mal einer von hundert dabei, der einen Fehler gemacht hat", sagt sie. Das nimmt sie Bewerbern auch nicht krumm, sondern geht davon aus, dass es ein Versehen war. Wichtiger ist das persönliche Gespräch: "Wenn wir uns vorher locker unterhalten haben und sich dann plötzlich etwas in der Stimme des Gegenübers oder in der Art, wie er oder sie erzählt, ändert, macht mich das stutzig", sagt die Recruiterin. Kommt ihr etwas komisch vor, spricht sie es direkt an. Dabei schickt sie auch die Botschaft mit, dass es nicht schlimm ist, wenn jemand geflunkert hat, und gibt ihm die Chance, noch einmal ehrlich die Frage zu beantworten.

Besonders häufig komme das vor, wenn es um die Gründe für den Arbeitgeberwechsel geht. "Wenn im Zeugnis ‚betrieblich bedingte Kündigung‘ steht, aber ich das Unternehmen kenne und weiß, dass das recht unwahrscheinlich ist, hake ich nach", sagt Kaiser. Oft kommt dann raus, dass der Jobwechsel doch ganz andere Ursachen hatte.

Es gibt in Kaisers Berufsalltag auch Kandidaten, die den Zeitraum beschönigend beschreiben, in dem sie arbeitssuchend waren. Die einen lassen ihn ganz weg, die anderen verkürzen ihn. Auch bei der Beschreibung der Zeit der Arbeitslosigkeit ist der Spielraum groß: "Wenn ich frage, wo derjenige denn nach Arbeit gesucht und wo er sich beworben hat, herrscht meist Stille", sagt die Personalleiterin. Dann kommt mitunter raus, dass die Bewerber gar nicht wirklich gesucht haben, sondern mit dem Großziehen ihrer Kinder oder der Pflege von Angehörigen beschäftigt waren. "Ich finde, das sind nachvollziehbare Gründe, nicht arbeiten zu gehen. Das sollte niemand unter ‚arbeitssuchend‘ im Lebenslauf verstecken."

Laut der Studie von CVApp sind es häufig Männer, die ihre Leistungen etwas besser darstellen, als sie sind. Die Zahlen zeigen: Die Chance, dass ein Bewerber lügt, ist 54% höher als dass es eine Bewerberin tut. Das kann Headhunter Roth bestätigen, denn auch er beobachtet in seinen Gesprächen, dass Männer deutlich offensiver kommunizieren. Besonders deutlich wird das beim Thema Gehalt: "Männer verdienen rund 20% mehr als Frauen in der gleichen Position. Nicht, weil sie besser qualifiziert sind, sondern weil sie ihren Wert höher einschätzen."

Auch Personalleiterin Kaiser beobachtet, dass Bewerberinnen eher tiefstapeln. "Frauen bewerben sich oft gar nicht erst, wenn sie nicht alle Kriterien einer ausgeschriebenen Stelle erfüllen." Sie achtet beim Texten der Stellenanzeige deshalb besonders darauf, die geforderten Qualifikationen so zu formulieren, dass sich Frauen davon eher angesprochen fühlen. Aus dem Begriff Führung wird dann beispielsweise Zusammenarbeit, aus der "Durchsetzungsstärke" ein "gutes Gefühl für kritische Situationen".

Die Autorin: Anna Friedrich ist Journalistin bei der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

Anna Friedrich