Zur Vorbereitung auf die anstehende IHK-Zertifizierung Ende des Jahres hat Reanovo einen hauseigenen Lernplan für seine Verwalter erstellt. Das Unternehmen rechnet mit unterschiedlichen ...
Zur Vorbereitung auf die anstehende IHK-Zertifizierung Ende des Jahres hat Reanovo einen hauseigenen Lernplan für seine Verwalter erstellt. Das Unternehmen rechnet mit unterschiedlichen Wissensständen, die aber durch Lernstandserhebungen, Apps und Fragerunden bis zum vierten Quartal ausgeglichen werden sollen.
Als "dringend notwendig, aber sehr kurzfristig" bezeichnet Tom Goerke, Head of HR von Reanovo, die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), die vorsieht, dass
Wohnungseigentümer ab Dezember 2022 auf einen IHK-zertifizierten Verwalter bestehen können. Nach Schätzungen des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz sind bundesweit rund 28.500 Angestellte von der Neuregelung betroffen, knapp 300 allein bei Reanovo. Sie müssen bis Ablauf der Frist ihre Fachkompetenz für den Beruf nachweisen und von der Industrie- und Handelskammer (IHK) zertifizieren lassen. "Deshalb haben wir ein Programm mit Zeitplan erstellt. Wir können nicht länger warten", fasst Goerke die aktuelle Situation zusammen. Die Inhalte, die in der Prüfung abgefragt werden, seien inzwischen klar und setzen sich aus Fragen aus dem rechtlichen, technischen und kaufmännischen Bereich zusammen. Außerdem sollen Grundkenntnisse der Immobilienwirtschaft abgefragt werden. Geplant sind eine 90-minütige schriftliche und eine 15-minütige mündliche Prüfung.
Weil die IHKs sich selbst noch auf den Prüfungsansturm vorbereiten müssen, rechnet Goerke damit, dass die Prüfungen erst im vierten Quartal angeboten werden. Besonders bei der Abstimmung der Termine für die mündliche Prüfung prophezeit er einen hohen organisatorischen Aufwand sowohl für die Verwalter als auch für IHKs. "Uns wäre es natürlich am liebsten, wenn wir alle Reanovo-Verwalter bei einer einzigen IHK zertifizieren lassen könnten. Auch wenn wir 50 Standorte in ganz Deutschland haben, wäre die Organisation so am einfachsten", hofft er auf einen reibungslosen Ablauf.
Einstufungstest zur Lerngruppenbildung
Damit die Verwalter bis zum Startschuss der Zertifizierungsphase bereit sind für die Fragen, starten bei Reanovo schon im April die Vorbereitungen. Die Quereinsteiger durchlaufen dann ein festes Lernprogramm, alle anderen legen einen Einstufungstest ab, damit sie einer Lerngruppe zugeordnet werden können. "Wir gehen davon aus, dass sich drei Gruppen herauskristallisieren werden. Das sind zum einen diejenigen, die seit Jahren im Beruf sind und nur ein dreitägiges Webinar zur Auffrischung brauchen. Dann haben wir diejenigen, die zwar schon einige Jahre Erfahrung haben, aber ursprünglich aus einer anderen Branche gewechselt sind. Sie bekommen Studienbriefe mit Lerninhalten für 50 Stunden. Und dann gibt es noch die Quereinsteiger, die zusätzlichen Input brauchen werden, weil sie alles nachholen müssen, was andere im Studium oder durch viele Jahre Berufserfahrung gelernt haben." Gerade bei dieser Gruppe geht Goerke davon aus, dass in den Sommermonaten mit der ein oder anderen Überstunde zu rechnen ist. "Die Aufträge pausieren in dieser Zeit nicht, denn die Immobilien müssen natürlich weiter verwaltet werden – schließlich betrifft es alle Verwalter in Deutschland. Deswegen müssen sich unsere Mitarbeiter geschickt organisieren und gegenseitig unterstützen."
Für die Auffrischung der Kenntnisse greift das Unternehmen auf seine hauseigene Akademie zurück. Das digitale Tool wird schon jetzt genutzt, damit die Verwalter ihrer Fortbildungspflicht von 20 Stunden in drei Jahren nachkommen können. Um einen einfachen Einstieg ins Lernen zu ermöglichen, bekommen sie außerdem vorab Input zu Lerntechniken. Zudem sollen wöchentliche Fragerunden organisiert werden, in denen sich die Lernenden austauschen können. "Wir überlegen noch, ob wir Zwischenstandsüberprüfungen einführen. So, dass die Verwalter erst dann in eine nächste Lernphase aufsteigen, wenn sie auch bereit dafür sind." Dabei versichert Goerke, dass der individuelle Lernstand gegenüber den Kollegen und gegenüber dem Unternehmen geheim gehalten wird.
Trotz des organisatorischen Aufwands findet Goerke: "Die Neuregelung macht den Berufs des Verwalters langfristig attraktiver." Dabei denkt er vor allem an Quereinsteiger, für die das Vorbereitungsprogramm für die Zertifizierung langfristig bestehen bleiben soll. Sie sollen sich so in Zukunft innerhalb kurzer Zeit alles notwendige Wissen für die Verwaltertätigkeit aneignen können. Gleichzeitig betreibe das Unternehmen damit Qualitätssicherung. "Diese Form der Professionalisierung war schon lange dringend notwendig in der Branche. Sie hilft uns die Qualität unserer Verwalter und somit die Qualität unserer Leistungen zu gewährleisten."
Da die Zeit bis zum Dezember 2022 recht knapp ist, steht die Frage im Raum, ob es Übergangsregelungen geben wird, die in besonderen Personalsituationen greifen. Goerke denkt dabei an Langzeitkranke oder Kollegen, die zum Start der Lernphasen in Elternzeit sind. "Wir wissen noch nicht, ob eine erfahrene Verwalterin, die im Dezember aus dem Mutterschutz kommt, auch direkt wieder vollumfänglich arbeiten kann, oder ob sie bis zur nächsten Zertifizierungsphase aussetzen muss", nennt Goerke ein Beispiel. Ähnlich sehe es mit Zeitarbeitskräften aus. "Diese setzen wir zwar selten, aber hin und wieder ein. Was ist, wenn ihnen eine Zertifizierung fehlt? Ob sie dann nur Hilfsarbeiten machen dürfen, ist noch nicht klar geregelt." Eine Karenzzeit bis 1. Juni 2024 soll es für Verwalter nur für konkrete Gemeinschaften geben, wenn sie den Verwalter schon vor Inkrafttreten des Gesetzes im Dezember 2020 bestellt haben.
In der ersten Zertifizierungsrunde, die voraussichtlich im Oktober beginnt, rechnet Goerke mit Kosten von rund 700 Euro pro Verwalter. "Viele kleine und mittelständische Unternehmen werden größere Probleme bei der Vorbereitung auf die Zertifizierung haben", fürchtet er. Er schätzt, dass sie in vielen Fällen auf teure Vorbereitungskurse von externen Anbietern zurückgreifen müssen.
Die Sorge um wirtschaftliche Einbußen durch nicht bestandene Prüfungen fällt in der Branche bisher gering aus. Bei einer Sondererhebung im Rahmen des 9. Branchenbarometers des Verbands der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) haben von 310 Teilnehmern lediglich 4% angegeben, Einbußen für das Unternehmen durch die Neuregelung zu fürchten. Knapp die Hälfte der Befragten (47%) erklärte, dass sie von ihrer Qualität überzeugt ist und keine wirtschaftlichen Nachteile auf sich zukommen sieht. Weitere 49% haben geäußert, nicht mit einer WEG zusammenarbeiten zu wollen, die auf den Zertifikatsnachweis besteht. Die Begründung: Sie sehen dies als Zeichen, dass ihnen nicht genug Vertrauen entgegengebracht wird.