"Krebs ist noch ein Tabuthema"
Petra Zahrt mit einer Collage von Genesungswünschen, die sie von ihrer Familie und Freunden erhalten hat. Das Bild hängt jetzt in ihrem Büro über ihrem Schreibtisch.
Bild: Uwe Weiser
Geht der Krebs, bleibt oft der Karriereknick. Von einem offeneren Umgang mit der Krankheit würden alle Seiten profitieren, sagt Petra Zahrt, Geschäftsführerin einer Kommunikationsagentur mit Schwerpunkt Immobilienbranche. Sie erzählt, wie sie als Selbstständige ihre erzwungene Auszeit organisierte und nun den Wiedereinstieg in den Beruf vorbereitet. Zahrt ist kein Einzelfall: Jährlich erkranken in Deutschland rund 500.000 Menschen an Krebs, etwa 224.000 sterben daran. Die Erkrankten kämpfen nicht nur um ihre Gesundheit, sondern auch um ihren Platz im Arbeitsleben.
Petra Zahrt: Die Diagnose hat mich eiskalt erwischt. Sie hatte mir tatsächlich die Sprache verschlagen - ich konnte in den ersten Tagen überhaupt nicht reden. Selbst meiner Familie und engen Freunden habe ich erst Wochen später davon erzählen können. Es hat seine Zeit gedauert, bis ich das Wort Krebs aussprechen konnte.
Zahrt: Ja, ab dem Moment der Diagnose war ich komplett in der Maschinerie drin. Gut eine Woche nach dem Befund wurde ich zum ersten Mal operiert. Mir stand ein Jahr Therapie bevor - das war völlig jenseits meiner Vorstellungskraft.
Zahrt: Ja, ich habe noch fast anderthalb Jahre bis September 2013 reduziert weitergearbeitet, während der Chemotherapie, während der Bestrahlung und während der Rehaphase. Die Arbeit hat mich in dieser Zeit gut abgelenkt. Nach der Abschluss-OP im November 2013 habe ich dann ganz aufgehört.
Zahrt: Ich habe es einigen wenigen schon früher erzählt, anderen nicht.
Zahrt: Weil ich natürlich auch Angst hatte, Projekte zu verlieren. Weil es mir auch schwer gefallen ist, darüber zu sprechen.
Zahrt: Ich habe die ganze Bandbreite erlebt. Verständnis und Unterstützung, Bedauern, Erschrecken, Zurückhaltung, Stille. Es gab auch witzig gemeinte Bemerkungen zu meiner neuen Frisur, die in Wirklichkeit eine Perücke war. Aber auch das sind Erfahrungen, die zur Orientierung dienen … Es ist wohl auch Unbeholfenheit und Unsicherheit im Spiel.
Zahrt: Ja, ich hatte meine Projekte beendet bzw. an Nachfolger übergeben. Das Gerüst meiner Agentur blieb bestehen, die Inhalte waren vorerst weg. Für das Frühjahr 2014 hatte ich meinen Job-Wiedereinstieg geplant. Aber daraus wurde nichts. Meine Energie war aufgebraucht, das merkte ich erst jetzt. Im Februar/März 2014 hatte ich erste Termine. Ich wollte wieder arbeiten, es ging aber noch nicht.
Zahrt: Nein, aber es gab schon Gedanken, wie sich wohl so alles entwickeln wird. Die Welt wartet schließlich nicht auf einen. Ich habe dann aber versucht, den Zustand zu akzeptieren. Es wird wieder. So habe ich mir selbst zugeredet.
Zahrt: Langsam, ja. Ich habe 2014 ein Buch über meine Erkrankung geschrieben, erzählt, was ich erlebt habe, Interviews u.a. mit Ärzten geführt. Es war auch eine Rückbesinnung auf meine beruflichen Wurzeln als Journalistin. Das Schreiben hat meinen Alltag strukturiert und mir wahnsinnig viel Spaß gemacht. Es war so befriedigend, wieder etwas zu tun und ein Projekt zu Ende zu bringen.
Zahrt: Ja, das Buchprojekt hat mir gezeigt, dass ich wieder rein möchte, rein ins Arbeitsleben.
Zahrt: "Frau, Alter und Gesundheit", wenn ich einen Headhunter zitiere, mit dem ich mich über mögliche Arbeitsperspektiven unterhalten habe. Ja, die Krankheit und der dadurch erzwungene Ausstieg mag ein eindeutiger Karriereknick sein. Aber ich habe mir das nicht ausgesucht, und ich bin fest entschlossen zu zeigen, dass mit mir wieder was geht.
Zahrt: Ja, ich würde mir eine stärkere Kultur der Wertschätzung wünschen, die auch gilt, wenn nicht alles glatt läuft. Auf ein Sabbatical sind alle vorbereitet. Meine Diagnose ist jetzt knapp drei Jahre her. Die Stärke, die ich aus meiner Überlebenserfahrung gezogen habe, sollte mehr in den Blick rücken. Nicht die Tatsache, dass ich zwei Jahre lang nicht auf der Bühne stand.
Zahrt: Ich glaube ja. Ich habe die Krankheit anfangs ja selber dazu gemacht. Heute habe ich einen anderen Blick darauf. Für mich gehört zu einer guten Arbeitskultur ein offener Umgang - auch mit Erkrankungen. Es wäre nicht nur für die Rückkehrer, egal ob als externe Dienstleister oder Angestellte, schön und hilfreich, wieder willkommen im Unternehmen zu sein; auch die Unternehmen profitieren schließlich von der wiedergewonnenen Expertise und Qualität, die sich nicht verändert, nur eben eine Zeit auf Eis gelegen hat …
Zahrt: Ich habe das Gefühl, tatsächlich aus dem Stand neu anfangen zu müssen. Ich nehme Kontakt zu früheren Kunden auf. Außerdem habe ich eine Liste mit Unternehmen, für die ich gerne arbeiten, und eine mit Projekten, die ich gerne umsetzen würde.
Zahrt: Nach einer solchen Erfahrung stellen Sie alles auf den Prüfstand. Ich werde keine Kehrtwendung machen, aber ich will nicht einfach dort weitermachen, wo ich aufgehört habe. Es werden neue Themen hinzukommen, auch wenn die Immobilienwirtschaft ein Schwerpunkt bleiben wird. Kommunikation und Schreiben sind meine Leidenschaft. Ich werde künftig bewusster mit meiner Zeit und meiner Energie umgehen. Ich habe jetzt ein paar neue Geschichten in meinem Rucksack - aber ich bin wieder gesund und freue mich sehr auf den weiteren Weg.
Das Interview führte Sonja Smalian.
Petra Zahrts Buch "Auf den zweiten Blick: Brustkrebs. Ein Lesebuch" ist als Taschenbuch und Kindle Edition für 14,00 Euro bzw. 5,00 Euro erhältlich (ISBN 978-1506090801).