Unibail-Rodamco Germany (URG) und ihre Vorgängerin mfi trennen Welten, sagt HR-Chef Bruno Bittis. Er sollte es wissen, denn der Mann kümmert sich seit zehn Jahren ums Personal. ...
Immobilien Zeitung: Herr Bittis, das Personalkarussell hat sich in den letzten Jahren kräftig bei ihnen gedreht. Von den heutigen rund 450 URG-Mitarbeitern haben nur ca. 35% eine mfi-Vergangenheit.
Bruno Bittis: Diese Zahl muss man allerdings relativieren: Erstens hatten wir auch zu mfi-Zeiten Bewegung. Zweitens sind fünf Jahre - wir sind ja seit 2012 mit Unibail verbunden - eine lange Zeit in der heutigen Arbeitswelt. Drittens haben wir zwischenzeitlich einige Objekte abgegeben oder dazugewonnen, allein der Erwerb des CentrO bedeutete ca. 30 neue Mitarbeiter. Richtig ist aber auch, dass viele ehemalige Mitarbeiter eine eigentümergeprägte Führung geschätzt und sich mit den Besonderheiten eines internationalen Unternehmens schwergetan haben. Wir mussten daher nach dem Eigentümerwechsel einige Mitarbeiter bitten zu gehen. Auch sind einige Positionen weggefallen. Viele wurden auch abgeworben, z.B. unser komplettes fünfköpfiges Asset-Management-Team. Und, nicht zu vergessen, unsere Erwartungen an Mitarbeiter und Kandidaten sind nicht mehr identisch mit dem Anforderungsprofil von früher.
IZ: Was hat sich denn seit dem Einstieg von URG so Gravierendes getan?
Bittis: Durch den Einstieg von URG haben wir einen Internationalisierungsschub bekommen. Früher waren wir trotz einiger internationaler Kunden insgesamt sehr deutsch unterwegs, heute suchen wir für unseren Nachwuchs international ausgebildete, junge Menschen, denen wir schon sehr früh - mit 25, 26 Jahren - Verantwortung geben.
IZ: Was muss denn ein Jungspund so alles mitbringen, um bei URG zu punkten?
Bittis: Wenn wir über unseren akademischen Nachwuchs sprechen: zunächst ein gutes akademisches Profil,
sprich, sehr gute Leistungen an einer renommierten Hochschule. Außerdem eine hohe Leistungsmotivation, Flexibilität, Mobilität und die Bereitschaft, früh Verantwortung zu übernehmen. Und wir setzen bei Kandidaten, auch bei Berufseinsteigern, internationale Erfahrung voraus, zumindest in Form eines Auslandspraktikums und zwei Auslandssemestern. Schließlich erwarten wir - und das ist eine harte Voraussetzung - Dreisprachigkeit.
IZ: Dreisprachigkeit? Bei Unibail-Rodamco Germany müssen alle Mitarbeiter also Englisch, Deutsch und Französisch können?
Bittis: Natürlich müssen nicht alle Mitarbeiter drei Sprachen können. Aber bei Hochschulabsolventen, die mit unserer französischen Zentrale kommunizieren und länderübergreifend tätig sein können sollen, ist das zwingend. Und was die Sprachen angeht: Englisch ist klar, und Deutsch liegt bei uns in Deutschland nahe. Aber ob die dritte Sprache Französisch, Spanisch, Schwedisch oder Tschechisch ist, ist nicht wichtig. Die Sprachkenntnis muss zu unseren Aktivitäten in elf europäischen Ländern passen. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir auf internationaler Ebene sehr eng miteinander arbeiten können und Mitarbeiter, wenn sie sich weiterentwickeln, sowohl in anderen Regionen als auch in anderen Funktionen eingesetzt werden können.
IZ: Heißt das, Neuzugänge werden nicht primär für ein bestimmtes Land ausgebildet, sondern können im Prinzip in allen elf Ländern, in denen URG Shoppingcenter entwickelt und managt, zum Einsatz kommen?
Bittis: Klar rekrutiert jedes Land erstmal für den eigenen Bedarf. Aber erstens können Mitarbeiter von Unibail-Rodamco auch in einem anderen Land andocken, und zweitens sollen sich alle als Teil eines großen Ganzen verstehen und von Anfang an unsere Group Culture verinnerlichen.
IZ: Ist die Ausbildung akademischer Nachwuchskräfte konzernweit komplett vereinheitlicht?
Bittis: Absolut. Wir haben dafür den Begriff EGP geprägt, das bedeutet European Graduate Programme. Jeder Kandidat absolviert ein Speed-Dating mit sechs Top-Managern. Wenn alle Beteiligten überzeugt sind, dass dieser Kandidat für das EGP der richtige ist, erhält er am nächsten Tag einen unbefristeten Vertrag. Und dann startet das Programm: "Ein Jahr, zwei Länder, drei Missions". Wenn ich z.B. jemanden für Deutschland rekrutiere, kann derjenige in Paris anfangen, und seine zweite Station kann in Spanien sein.
IZ: Welche Rolle spielt eigentlich immobilienspezifisches Wissen bei der Rekrutierung?
Bittis: Das spielt keine Rolle. Für uns ist entscheidend, dass die generalistischen Talente, die wir suchen, offen für Neues sind, eine hohe Flexibilität mitbringen und sich zügig auf neue Aufgabenfelder und Gegebenheiten einstellen können. Ob bereits Erfahrung in der Immobilienbranche vorliegt oder jemand ein Studium mit einem Immobilienschwerpunkt absolviert hat, ist dagegen für uns im Recruiting nicht wichtig, auch nicht für das Einstiegsgehalt.
IZ: Klingt nicht so, als hätten Sie dasselbe Beuteschema wie z.B. die ECE, aus der die mfi einst ja quasi hervorgegangen ist.
Bittis: Korrekt, im selben Teich wie die ECE fischen wir nicht.
IZ: Sondern?
Bittis: Unsere Talente würden typischerweise in einer Unternehmensberatung arbeiten oder auch bei Technologie-Unternehmen wie Google und Apple. Im internationalen Recruiting sitzen wir nebeneinander. Und auch bei dem Einstiegsgehalt orientieren wir uns ausschließlich an der Consulting-Branche. Die jungen Leute, die unsere Anforderungen erfüllen, verdienen bei uns jedoch knapp unter dem, was sie bei Wirtschaftsberatungen verdienen könnten. Der entscheidende Punkt soll nicht das Geld sein, es gibt schließlich immer jemanden, der mehr bietet.
IZ: Ziehen Sie dann nicht oft den Kürzeren, wenn Sie weniger bieten als der Wettbewerb?
Bittis: Wir erleben bei Einstellungen von der Hochschule selten Vergütungskonflikte, denn wir befördern Mitarbeiter mit dem nötigen Potenzial und einer entsprechenden Performance schnell: Unser Director of Operations in Deutschland ist 33 Jahre alt, der CFO ist 35, und der Head of Marketing ebenfalls 33. Diese Talente wissen, dass sich mit ihrer Entwicklung auch ihr Gehaltspaket steigert. Nebenbei bemerkt habe ich das Gefühl, dass Absolventen mit Immobilienspezialisierung zu früh im deutschen Markt gehypt werden. Aber ich verstehe natürlich, dass viele Unternehmen unter Anwerbungsdruck stehen und das Angebot rar ist. Schließlich haben wir in Deutschland noch keine so lange Geschichte in der professionellen Immobilienwirtschaft und mit Immobilienstudiengängen wie in England oder Frankreich. Wenn dagegen wir bei URG über Spezialisierung reden, dann schauen wir eher in Richtung Hotellerie.
IZ: Was machen Hotelmanager bei einem Einkaufszentrenbetreiber?
Bittis: Im Centermanagement hat sich bei uns, im Vergleich zu mfi-Zeiten, viel verändert: Die meisten unserer neuen Centermanager kommen aus der internationalen Hotellerie. Für uns gehören der Service-Gedanke und die Sichtweise der Gäste fundamental zum Shopping-Erlebnis. Wer Hotelmanagement studiert oder für eine Hotelgesellschaft gearbeitet hat, stellt die richtigen Fragen: Was würde einem Gast - sprich: dem Besucher eines Shoppingcenters - als erstes auffallen? Was würde dieser sich noch wünschen?
IZ: Wie viele EPGs haben Sie seit dem Sprung in die Unibail-Welt schon eingestellt?
Bittis: Wir stellen jährlich ca. zehn EGPs ein, in der Gruppe insgesamt etwa 50. In Deutschland haben wir seit der Zugehörigkeit zu Unibail schon insgesamt rund 40 Absolventen dieses neuen Typus eingestellt. Davon kommen übrigens ca. 25% nicht aus Deutschland.
IZ: Wie finden Sie diese Rohdiamanten?
Bittis: Unibail-Rodamco arbeitet seit 15 Jahren mit einem Netzwerk europäischer Top- Hochschulen zusammen. Früher hatten wir regelmäßig Probleme, Absolventen zu finden - jetzt nicht mehr. Verglichen mit der mfi-Ära ist das eine der besten Veränderungen. Fündig werden wir z.B. auf internationalen Hochschul- oder Jobmessen in Barcelona, Wien oder London. Kandidaten aus Hotelunternehmen sprechen wir gezielt an, oder wir arbeiten mit Personalberatern zusammen, die auf die Hotellerie spezialisiert sind.
IZ: Aufs IZ-Karriereforum gehen Sie auch.
Bittis: Stimmt! Dort habe ich allerdings überwiegend rein deutsche Immobilienprofile getroffen, das ist eigentlich nicht unsere Zielgruppe. Trotzdem nutzen wir die Gelegenheit, Unibail-Rodamco zu positionieren und die Employer Brand zu stärken. Da sind wir in Deutschland noch nicht dort, wo wir eigentlich hinwollen.
IZ: Stimmt! Von den 320 Studierenden von deutschen Hochschulen, die der Immobilien Zeitung im Rahmen unserer diesjährigen Arbeitsmarktumfrage ihren Wunscharbeitgeber verraten haben, nannten gerade mal zwei Unibail-Rodamco. Zum Vergleich: Die Nummer eins in unserem Top-ArbeitgeberRanking kommt auf satte 81 Nennungen.
Bittis: Das sähe anders aus, wenn Sie an internationalen Top-Hochschulen nachfragten!
IZ: Wie lange können Sie Top-Absolventen europäischer Elitehochschulen bei der Stange halten?
Bittis: Wir wissen, dass diese Talente sehr umworben sind. In Frankreich erleben wir, dass Mitarbeiter eine Unibail-Zeit bewusst als "Schule" sehen, wie das zum Beispiel auch bei PwC oder namhaften Beratungsfirmen der Fall ist. Nach vier Jahren ist ungefähr ein Viertel dieser Talente wieder weg. Aber vergessen Sie nicht, dass es noch sehr junge Menschen sind, bei denen sich beruflich und privat eine Menge ändert. Insgesamt wechseln Mitarbeiter heute häufiger den Arbeitgeber als früher, und gerade Top-Leute binden sich meist nur für eine begrenzte Zeit an einen und denselben Arbeitgeber. Daher sind traditionelle "Bindemittel" wie eine betriebliche Altersversorgung keine zeitgemäße Antwort mehr.
IZ: Kann es sein, dass URG so was einfach zu teuer geworden ist?
Bittis: Wir haben kein Problem, Geld auszugeben, wenn es klug investiert ist: Trainings, Events, Auslandsaufenthalte sowie attraktive Packages passen besser zu uns.
IZ: Im Oktober bekommen Sie einen neuen Chef: den ECE-Manager Andreas Hohlmann. Muss er sich warm anziehen?
Bittis: Zunächst mal wird es ein sportlicher Auftakt für ihn, denn er kommt in der Schlussphase unserer jährlichen Businessplanung. Da wird sicher viel Neues für ihn dabei sein. Aber auch eine gute Gelegenheit, den Status und die Strategie für alle Häuser direkt kennenzulernen.
IZ: Wie läuft das denn so ab, wenn die Businesspläne geschrieben werden?
Bittis: In Frankreich ist ja der August der Ferienmonat. Direkt danach startet eine ca. sechswöchige heiße Phase der Fünfjahresplanung. Für jedes unserer Häuser gehen wir im Detail die Fragen durch: Wo stehen wir mit den Zahlen? Wo wollen wir hin? Welche Potenziale sehen wir und wie können wir diese realisieren? Dieser Prozess bezieht alle Beteiligten ein. Sämtliche Veränderungsvorschläge werden intern abgestimmt und im Detail durchgerechnet, sodass am Ende eine klare Strategie für jedes Center, mithin eine lokale Entscheidungsvorlage steht. Diese präsentiert der jeweilige Operating Manager dem gesamten französischen und deutschen Board sowie den wichtigsten Leitern der Corporate-Abteilungen.
IZ: Nach der Übernahme durch Unibail sollen ja reihenweise gestandene Centermanager durch jüngere und billigere Nachwuchskräfte ersetzt worden sein ...
Bittis: Ja, ja. Solche Aussagen sind mir auch schon zu Ohren gekommen. Aber erstens sind unsere Centermanager heute im Durchschnitt 40 Jahre alt, zweitens waren einige Kollegen damals rentennah, und drittens konnte sich eben nicht jeder mit dem Kulturwechsel anfreunden - ich hatte jedenfalls nie einen Auftrag nach dem Motto "jünger und billiger, bitte!"
IZ: Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Harald Thomeczek.